BGH Urteil zu Fernunterricht & Online-Coaching: keine Zulassung, Vertrag nichtig nach § 7 FernUSG?

19. November 2025

Viele Online-Kurse werben mit schnellen Erfolgsversprechen, VIP-Support und Zertifikaten, ohne sich der rechtlichen Risiken ihres Lernangebots bewusst zu sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt nun in seinem jüngsten Urteil klar: Entscheidend ist nicht das Etikett „Coaching“ oder ähnliches, sondern die Funktion des Angebots. Steht die entgeltliche Vermittlung von Wissen oder Fähigkeiten im Vordergrund, wird überwiegend online und damit räumlich getrennt gelernt und ist eine individuelle Lernerfolgs­kontrolle vorgesehen, handelt es sich rechtlich regelmäßig um Fernunterricht und Verträge ohne behördliche Zulassung können nichtig sein. Was das für Anbieter, Teilnehmende und Behörden heißt, behandeln wir in diesem Beitrag.

Worum geht es?

Seit 2023 (OLG Celle - 3 U 85/22; LG Hamburg - 304 O 277/22) mehren sich Verfahren zu Online-Coachings. Am 12.06.2025 hat der BGH (III ZR 109/24) eine Leitentscheidung getroffen, gefolgt von einem weiteren Urteil am 02.10.2025 (III ZR 173/24).

Dabei ging es im Kern um die Frage, ob den Anbietern von Lernangeboten ein Vergütungsanspruch zustand oder nicht. Weshalb stellt sich diese Frage? Wenn das "Fernunterrichtsschutzgesetz" (FernUSG) anwendbar ist, und der Anbieter des Lernangebots über keine behördliche Zulassung verfügt, steht die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages im Raum. Die Konsequenz: Es besteht kein Vergütungsanspruch.

Der gemeinsame Nenner der Gerichtsurteile: Es zählt die Funktion des Angebots, nicht seine Bezeichnung.

Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG liegt vor, wenn erstens entgeltlich Wissen/Fähigkeiten vermittelt werden, zweitens überwiegend räumlich getrennt/online gelernt wird und drittens eine individuelle Lernerfolgskontrolle vorgesehen ist. Fernunterricht in diesem Sinne unterliegt der Zulassungspflicht nach § 12 FernUSG; davon ausgenommen sind nur Angebote der Freizeitgestaltung und Unterhaltung. Fehlt die notwendige ZFU-Zulassung (§ 12 FernUSG), ist der Fernunterrichtsvertrag gemäß § 7 FernUSG nichtig. Mit der Folge der Rückabwicklung.

Wichtig für die Praxis: Der BGH schaut auf den tatsächlichen Ablauf.

  • Live-Calls (rein synchroner Unterricht) sind nach der bisherigen Praxis der ZFU tendenziell eher kein Fernunterricht, sobald aber Aufzeichnungen und abrufbare Inhalte überwiegen, spricht viel für Fernunterricht.
  • Die Schwelle der Lernerfolgskontrolle ist niedrig: Eine einzige mögliche, individuelle Kontrolle genügt. Sie muss nur vertraglich vorgesehen sein.
  • Das gilt nicht nur im Verbraucherbereich, sondern kann auch B2B-Konstellationen erfassen.

Damit betrifft das Urteil Anbieter (vom Solo-Coach bis zur „Akademie“), Teilnehmende (Privatpersonen, Gründer/innen, Selbstständige usw.) und Behörden. Dieser Beitrag ordnet ein, grenzt ab und beantwortet anschließend die häufigsten Fragen. Selbstverständlich ersetzt dies keine individuelle Rechtsberatung.

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Exkurs: Fernunterrichtsschutzgesetz

Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) stammt aus 1976, ein heute fast fünfzig Jahre altes Regelwerk, welches geschaffen wurde, um den damals rasant wachsenden Fernunterricht zu ordnen und Lernende vor minderwertigen Angeboten zu schützen.

Vor diesem historischen Kontext wirkt das FernUSG heute als zentrale Regulierungsnorm für digitale Lernangebote, von Videokursen mit Feedback bis zu hybriden Mentoring-Programmen.

Zwei BGH-Urteile (2025)

Der rechtliche Rahmen wird durch zwei BGH-Urteile konkretisiert (Urt. v. 12.06.2025, Az. III ZR 109/24 und Urt. v. 02.10.2025, Az. III ZR 173/24). Diese stellen klar, entscheidend ist die Funktion des Angebots, nicht das Label "Coaching/Mentoring". Mit anderen Worten: Es zählt, wie das Angebot umgesetzt ist und nicht, wie es heißt.

1. Räumliche Trennung

Im Juni-Urteil beantwortete der Senat zuerst die Standortfrage des Online-Lernens: Räumliche Trennung liegt jedenfalls dann vor, wenn asynchrone Unterrichtsanteile überwiegen. Erfasst sind Formate, bei denen die Darbietung des Unterrichts und dessen Abruf zeitlich versetzt erfolgen, also etwa Lernvideos und aufgezeichnete Live-Calls. Damit rückt das Gesamtbild in den Mittelpunkt: Entscheidend ist der überwiegende Charakter des Angebots, nicht die einzelne Sitzung.

Ob reine Live-Calls - d.h. synchrone Formate ("digitaler Präsenzunterricht") - ebenfalls das Merkmal der räumlichen Trennung erfüllen, wurde ausdrücklich offengelassen, da dies vorliegend nicht entscheidungserheblich war.

2. Lernerfolgskontrolle

Zudem senkt der BGH die Schwelle der Überwachung des Lernerfolgs deutlich. Es genügt, dass eine individuelle Kontrolle vertraglich möglich ist. Ob sie tatsächlich stattfindet, ist nachrangig.

„[...] wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist, die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht.“ (BGH, Urt. v. 02.10.2025, Az. III ZR 173/24)

Das trifft auf viele hybride Coaching-Modelle zu, auch ohne Prüfungen im klassischen Sinn.

Für Anbieter bedeutet das: Schon eine eingeplante Q&A-Runde oder ein individuelles Feedback-Feld oder "VIP-Support" für Rückfragen können das Merkmal der Lernerfolgskontrolle erfüllen, selbst wenn diese Möglichkeit in der Praxis nur selten genutzt wird. Für Teilnehmende sind versprochene Feedback- und Fragerunden ein Signal dafür, dass der Schutz des FernUSG greift.

3. Persönlicher Anwendungsbereich

Daneben klärt der Senat den persönlichen Anwendungsbereich. Das FernUSG ist nicht nur auf Verbraucher, sondern auch auf Unternehmer anwendbar. Im Oktober-Urteil wird das noch einmal hervorgehoben: Die Verbrauchereigenschaft des Lernenden könne demnach dahinstehen, da das FernUSG auch auf Unternehmer Anwendung finde. Damit sind beispielsweise auch Selbstständige und sonstige Unternehmen erfasst, sofern die Funktionsmerkmale vorliegen.

4. Rechtsfolge

Die Rechtsfolge bleibt konsequent: Fehlt die ZFU-Zulassung (§ 12 FernUSG), kann Nichtigkeit nach § 7 FernUSG eintreten, und gezahlte Entgelte sind grundsätzlich rückabzuwickeln. Ein Wertersatz zulasten der Teilnehmenden - d.h. zu Gunsten des Anbieters - kommt nur ausnahmsweise in Betracht und setzt substantiierten Vortrag des Anbieters voraus. Beispielsweise müsste der Anbieter darlegen, dass der Teilnehmer andernfalls ein zugelassenes Ersatzangebot in vergleichbarer Höhe gewählt hätte.

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Abmahnung erhalten?

Wenn Sie statt einer sauberen Vertragsabwicklung plötzlich „Abmahnungen“ oder Zahlungsaufforderungen fragwürdiger Absender im Postfach haben, lesen Sie ergänzend unseren Beitrag zu Fake-Abmahnungen.

Quick-Check (Anbieter & Teilnehmende)

Die folgende Checkliste dient Ihrer ersten Orientierung, damit Sie erkennen, wo Ihr Angebot bzw. Ihr Vertrag landen könnte und welche Konsequenzen dies haben könnte.

Hinweis 🔄: Smartphone-Nutzer sollten ihr das Smartphone drehen, damit die Quick-Check-Tabelle optimal angezeigt wird.

AkteurWas wird geprüft (FernUSG-Check)?Konsequenz
Anbieter1. Steht die Wissensvermittlung im Vordergrund?
2. Erfolgt das Lernen überwiegend online und asynchron (Videos/Plattform/Aufzeichnungen)?
3. Gibt es eine individuelle Lernkontrolle (Q&A/Chat/Mail)? 4. Ist eine ZFU-Zulassung vorhanden?
➔ Ergebnis: Je mehr Fragen mit „Ja“ beantwortet werden und je unklarer Punkt 4 ist, desto höher ist das FernUSG-Risiko.

Sinnvolle To-dos: ZFU-Antrag (Curriculum, Betreuung), Vertragsmuster bereinigen, Marketing anpassen, Bestandsfälle aktiv managen (Kulanz/Vergleich), Dokumentation schärfen.
Teilnehmer1. Gibt es einen Videokurs oder eine Lernplattform mit strukturiertem Inhalt?
2. Werden Live-Calls angeboten u. aufgezeichnet, sind Rückfragen mit Feedback vorgesehen?
3. Wird mit unklaren Erfolgsversprechen geworben? 4. Ist eine ZFU-Zulassungsnummer vorhanden?
➔ Ergebnis: Treffen 1 bis 3 zu und bleibt Frage 4 offen, spricht viel dafür, dass das FernUSG anwendbar ist und der Vertrag nichtig ist.

Sinnvolle To-dos: Belege sichern (Buchung, Leistungsbeschreibung, Chat/Mail), Zulassung erfragen (Anbieter/ZFU), Rückzahlung schriftlich verlangen, ggf. anwaltliche Unterstützung.

Reformdebatte: NKR-Positionspapier zur Zukunft des FernUSG (11/2025)

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) empfiehlt in seinem Positionspapier vom 6. November 2025, das Fernunterrichtsschutzgesetz vollständig aufzuheben.

Begründet wird dies mit Überalterung und Unschärfen zentraler Begriffe, Doppelregulierungen gegenüber verbraucherschützenden BGB-Regeln sowie erheblichem Bürokratieaufwand durch das ZFU-Zulassungsverfahren. Darüber hinaus führt der NKR Vollzugs- und Wettbewerbsprobleme bei Auslandsanbietern an.

"Die ZFU ist mit ihren knapp 30 Stellen kaum in der Lage, die Menge an Zulassungsanträgen zu bearbeiten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine große Mehrheit der Anbieter von Fernunterricht derzeit, entweder bewusst (z. B. zur Vermeidung des bürokratischen Aufwands) oder aus Unwissenheit, auf eine Zulassung verzichtet. Derzeit sind durch die ZFU rund 5 000 Fernlehrgänge zugelassen. Die Schätzungen über die tatsächlich zulassungspflichtigen Fernlehrgänge gehen stark auseinander und liegen im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Sollten alle real angebotenen Fernlehrgänge eingereicht werden, wäre das nur mit einem unverhältnismäßig hohen Ressourceneinsatz durch die ZFU zu bewerkstelligen" (Positionspapier des Nationalen Normenkontrollrates zum Fernunterrichtsschutzgesetz vom 6. November 2025)

Der NKR spricht sich dabei - nach eigener Darstellung - erstmals für die vollständige Aufhebung eines geltenden Gesetzes aus.

Wichtig zu wissen ist, dass die Rechtslage bis zu einer Gesetzesänderung unverändert bleibt, die BGH-Rechtsprechung und die ZFU-Pflichten gelten also fort. Über etwaige Novellen des FernUSG, Übergangsregelungen oder eine Aufhebung des Gesetzes wird der Gesetzesgeber entscheiden.

Das Papier versteht die Abschaffung ausdrücklich als Auftakt für weitere Überprüfungen veralteter Normen.

"Die Abschaffung des FernUSG sollte kein Einzelfall bleiben, sondern ein Auftakt sein: Weitere Gesetze, die heute den aktuellen Anforderungen nicht mehr gerecht werden oder unnötige Bürokratie verursachen, sollten ebenfalls einer kritischen Überprüfung unterzogen werden." (Bekanntmachung des Nationalen Normenkontrollrats vom 11.11.2025)

In der Diskussion steht eine Verlagerung wesentlicher Verbraucherschutzinhalte ins BGB und eine didaktische Qualitätsprüfung könnte künftig eher freiwillig als gesetzliche Pflicht gedacht werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ab wann gilt ein Online-Kurs als „Fernunterricht“ nach FernUSG?

Ein Online-Angebot nähert sich dem Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG, wenn auf vertraglicher Grundlage entgeltlich Kenntnisse oder Fähigkeiten vermittelt werden, Lehrende und Lernende dabei überwiegend räumlich getrennt sind und zumindest eine individuelle Lernerfolgskontrolle vorgesehen ist.

Nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung genügt es, wenn Teilnehmende einen vertraglichen Anspruch auf persönliche Anleitung oder Beantwortung von Verständnisfragen haben; ob sie diese Möglichkeit tatsächlich nutzen, ist zweitrangig.

Reine 1:1-Beratungen ohne vorgegebenes Lehrkonzept und ohne vertraglich angelegte Lernerfolgskontrolle werden häufig nicht als Fernunterricht eingeordnet. Sobald aber ein strukturiertes Curriculum, planmäßige Wissensvermittlung und die Möglichkeit individueller Lernkontrolle hinzukommen, kann auch ein Coaching mit Einzelterminen in den Anwendungsbereich des FernUSG fallen; die Einstufung bleibt letztlich eine Einzelfallfrage.

Gilt das auch für Gründer/innen und Kleinunternehmer/innen (B2B)?

Ja. Nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung ist das FernUSG nicht auf Verbraucher beschränkt. Es kann auch Verträge mit Gründer/innen, Selbstständigen und anderen Unternehmern erfassen. Entscheidend sind Aufbau und Funktion des Angebots, also ob entgeltlich Kenntnisse oder Fähigkeiten vermittelt werden, Lehrende und Lernende überwiegend räumlich getrennt sind und eine Lernerfolgskontrolle angelegt ist; nicht das Marketing-Label oder die Zielgruppenbeschreibung.

Was ist konkret nichtig: Zertifikat oder Vertrag?

Rechtlich betroffen ist der Fernunterrichtsvertrag. Fehlt die nach § 12 FernUSG erforderliche Zulassung, ist dieser Vertrag nach § 7 FernUSG nichtig. Ein auf dieser Grundlage ausgestelltes „Zertifikat“ hat keine eigenständige rechtliche Wirkung, es teilt das Schicksal des nichtigen Vertrags. In der Folge können Teilnehmende gezahlte Entgelte grundsätzlich nach Bereicherungsrecht zurückfordern und Vergütungsansprüche des Anbieters bestehen häufig nicht.

Sind Schulen/Unis/IHK/FernUni betroffen oder ausgenommen?

Staatliche Schulen und staatliche Hochschulen erbringen Unterricht und Studienangebote in der Regel im öffentlich-rechtlichen Rahmen mit eigener Schul- und Studiengangsaufsicht. Solange das Bildungsangebot auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgt, greift das FernUSG dort typischerweise nicht; maßgeblich sind Schul- und Hochschulrecht sowie die hochschulrechtliche Akkreditierung. Öffentlich-rechtlich organisierte Fernstudiengänge, etwa klassische Studiengänge der FernUniversität Hagen, gelten deshalb grundsätzlich nicht als zulassungspflichtige Fernlehrgänge im Sinne der ZFU.

Anders liegt es, wenn Hochschulen, IHKs oder andere Träger Fernunterricht über privatrechtliche Verträge anbieten, insbesondere nicht-akademische Weiterbildungs- und Zertifikatslehrgänge. Erfüllen solche Angebote die Merkmale des § 1 FernUSG, unterliegen sie voll der ZFU-Zulassungspflicht.

Wie „gut“ ist eine ZFU-Zulassung wirklich?

Die ZFU-Zulassung ist kein Gütesiegel für Karrierechancen oder Einkommen. Sie bestätigt, dass Lehrkonzept, Betreuung und Vertragsunterlagen die gesetzlichen Anforderungen des FernUSG erfüllen und dass das Lehrgangsziel grundsätzlich erreichbar erscheint.

Damit ist die Zulassung ein rechtlicher Mindeststandard und ein Compliance-Indikator. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Machen Online-Prüfungen echte Qualifikationen kaputt – oder wann nicht?

Online-Prüfungen machen eine Qualifikation nicht automatisch weniger wert. Entscheidend ist, ob das Prüfungsformat die gleichen Anforderungen an Inhalt, Niveau und Prüfungsleistung stellt wie eine Präsenzprüfung und ob Identität und Prüfungsablauf verlässlich kontrolliert werden.

Dazu gehören etwa klare Prüfungsordnungen, eine nachvollziehbare Aufsicht (z. B. Proctoring, Identitätskontrollen) und die Einhaltung der einschlägigen hochschul- oder berufsrechtlichen Vorgaben.

Wo diese Standards eingehalten werden, können auch online abgenommene Prüfungen vollwertige Qualifikationen begründen, wo sie fehlen, leidet eher die Qualität des Prüfungsdesigns als das Format „Online“ an sich.

Was bedeutet das Urteil für Jobcenter-finanzierte Coachings und Behördenkapazitäten?

Das Urteil bedeutet für Jobcenter-finanzierte Coachings vor allem, dass digitale Maßnahmen künftig deutlich genauer daraufhin geprüft werden müssen, ob sie nicht neben der AZAV-Zertifizierung auch eine ZFU-Zulassung nach dem FernUSG brauchen.

Der BGH qualifiziert strukturierte Online-Programme mit überwiegend asynchronen Inhalten und Lernkontrolle als zulassungspflichtigen Fernunterricht; ohne ZFU-Zulassung sind solche Verträge nach § 7 FernUSG nichtig, unabhängig davon, ob der Teilnehmer Privatperson oder Unternehmer ist.

Jobcenter und Agenturen finanzieren Weiterbildungen typischerweise über Bildungsgutscheine nur, wenn Träger und Maßnahme nach AZAV zugelassen sind; zahlreiche Fernlehrgänge großer Anbieter laufen bereits mit einer "Doppelzulassung" (ZFU + AZAV) und werden explizit als förderfähig beworben. Gerade in der Grauzone individuell gestrickter Online-Coachings und hybrider E-Learning-Konzepte besteht aber das Risiko, dass Maßnahmen zwar AZAV-zertifiziert und über Jobcenter finanziert sind, materiell aber die Voraussetzungen des FernUSG erfüllen, ohne eine ZFU-Zulassung zu besitzen.

Für die Behörden heißt das: Fachkundige Stellen und Jobcenter müssen ihre Prüfpraxis bei digitalen Maßnahmen nachschärfen, den ZFU-Status und das Kursdesign systematisch mitprüfen und bestehende Maßnahmenportfolios bereinigen. Die ZFU selbst muss mit einem deutlichen Mehr an Zulassungsanträgen rechnen, weil bisher „unter dem Radar“ laufende Online-Coachings nun offenkundig in den FernUSG-Korridor fallen.

Wohin mit KI-Tutoring? Brauchen wir neue, abgestufte Zertifizierungsmodelle?

Rechtspolitisch spricht viel dafür, künftige Zulassungs- oder Qualitätssysteme abgestuft zu denken: von statischen Selbstlern-Modulen über interaktive Formate bis hin zu KI-gestützten Tutoring-Systemen. Jeweils mit klar definierten Mindestanforderungen an Betreuung, Transparenz, Datenschutz und Prüfungsaufsicht.

Solange eine Reform des FernUSG noch aussteht, gilt in der Praxis: Es entscheidet nicht der Name des Angebots, sondern seine Funktion, Risiken sind zu prüfen u. dokumentieren und bei KI-Einsatz im Zweifel prüfen, ob und wie eine ZFU-Zulassung in das Konzept integriert werden kann.

Wie prüfe ich eine ZFU-Zulassung konkret?

Bitten Sie den Anbieter um die ZFU-Zulassungsnummer und prüfen Sie diese im öffentlichen ZFU-Verzeichnis. Lässt sich die Nummer nicht nachvollziehen oder verweigert der Anbieter eine klare Auskunft, ist das ein deutliches Warnsignal. Halten Sie Ihre Anfrage und die Antwort schriftlich fest.

Gilt das FernUSG auch bei ausländischem Firmensitz des Anbieters?

Ein ausländischer Firmensitz nimmt ein Angebot nicht automatisch aus dem Anwendungsbereich des FernUSG heraus. Maßgeblich ist, welches Recht auf den Fernunterrichtsvertrag anwendbar ist. Richtet ein Anbieter seine Coaching- oder Online-Kurse erkennbar auf Teilnehmende in Deutschland aus, kann nach den Regeln des internationalen Privatrechts deutsches Recht zur Anwendung kommen.

Sind die Voraussetzungen des § 1 FernUSG erfüllt, unterliegt das Angebot dann grundsätzlich auch der ZFU-Zulassungspflicht, unabhängig vom Sitz des Unternehmens. Die praktische Durchsetzung von Ansprüchen und Aufsichtsbefugnissen kann bei einem Anbietersitz im Ausland zwar deutlich schwieriger sein, die rechtliche Anwendbarkeit des FernUSG ist damit aber nicht ausgeschlossen.

Besteht bei Live-Calls/Live-Online-Meetings eine "räumliche Trennung" gem. § 1 FernUSG?

Umstritten ist vor allem, wie rein synchrone Live-Online-Formate einzuordnen sind. Die für die Zulassung von Fernunterricht zuständige ZFU geht in ihrer Praxis davon aus, dass ausschließlich live und in Echtzeit durchgeführte Online-Seminare ohne Aufzeichnung keine räumliche Trennung im Sinne des FernUSG begründen und deshalb nicht zulassungspflichtig sind.

Anders verhält es sich, sobald Live-Calls aufgezeichnet und später abrufbar gemacht werden oder weitere asynchrone Lernmaterialien überwiegen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) entschieden, dass bei Online-Angeboten mit überwiegend asynchronen Anteilen eine räumliche Trennung im Sinne des FernUSG jedenfalls vorliegt. Die weitergehende Frage, ob bereits rein synchrone Live-Calls ohne Aufzeichnung dieses Merkmal erfüllen, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen, weil es für die Entscheidung des konkreten Falles nicht darauf ankam.

KI & FernUSG: Ist ein individuelles Feedback hinsichtlich des Lernfortschritts durch z.B. KI-Bots eine Lernerfolgskontrolle gem. FernUSG?

Die ZFU geht derzeit davon aus, dass automatisiert ausgewertete Multiple-Choice-Tests als Form der programmierten Unterweisung grundsätzlich keine individuelle Lernerfolgskontrolle im Sinne des FernUSG darstellen. Anders beurteilt sie den Fall, wenn Testergebnisse von einer Lehrperson ausgewertet werden oder der Veranstalter sich die Ergebnisse zu eigen macht und darauf aufbauend individualisierte Zeugnisse oder Rückmeldungen erteilt.

Rein EDV-gestützte Tests gelten nach der ZFU in der Regel nicht als hinreichende Lernzielkontrolle.

Rechtsprechung, die automatisierte Tests oder KI-basierte Auswertung ausdrücklich anders behandelt, ist derzeit nicht ersichtlich. Langfristig ist aber nicht ausgeschlossen, dass KI-gestütztes, inhaltlich hochwertiges Feedback zum Lernfortschritt einmal wie die Rückmeldung einer menschlichen Lehrperson bewertet wird. Konkrete Hinweise der Gerichte oder der ZFU gibt es dazu aktuell noch nicht.

Noch Fragen? Schreiben Sie uns gern eine E-Mail an info@doganpfahler.de, wir erweitern die FAQ laufend, um weitere Fragen unserer Leser/innen zu beantworten.

Sie sind betroffen (als Anbieter oder als Teilnehmende) und möchten Ihre Rechte oder Pflichten prüfen lassen? Wir übernehmen diese Prüfung gerne für Sie! Melden Sie sich über das Kontaktformular oder telefonisch bei uns! 

Hinweis: Dieser Blogbeitrag ersetzt keine Rechtsberatung.


Transparenzhinweis: Die Grafiken wurden mithilfe von generativer KI erstellt.

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