Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens stehen öffentliche Auftraggeber häufig vor der Herausforderung, ihren Bedarf mit dem Anbietermarkt in Einklang zu bringen. Hierbei spielt die Markterkundung gemäß § 28 VgV eine wesentliche Rolle. Denn die vorgelagerte Sondierung des Marktes liefert regelmäßig wichtige Erkenntnisse für das nachgelagerte Beschaffungsvorhaben. In diesem Beitrag gehen wir darauf ein, was öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung und Durchführung einer Markterkundung beachten sollten.
Was ist eine vergaberechtliche „Markterkundung“? Wie lässt sich diese sinnvoll vorbereiten und strukturiert durchführen? Diese und ähnliche Fragen stellen sich wiederholt in der Beschaffungspraxis, weil der Verordnungsgeber für das Werkzeug der Markterkundung keine strikte Form vorgegeben hat. Dies hat den Vorteil, dass öffentliche Auftraggeber ihr Vorgehen vergleichsweise frei gestalten können, aber zugleich den Nachteil, dass Musterdokumente u. -prozesse nur bedingt unverändert wiederverwertet werden können.
Öffentlichen Auftraggebern stehen also mehrere Möglichkeiten zur Sondierung des Marktes zur Verfügung. Auftraggeber können z.B. selbst im Internet recherchieren, den Rat von Sachverständigen heranziehen, die Expertise und Erfahrung anderer öffentlicher Auftraggeber einholen oder Unternehmen um Übersendung ihrer Leistungskataloge/Prospekte, Preislisten u.ä. bitten.
Da die Beteiligung der potenziell in Frage kommenden Unternehmen in der Praxis am häufigsten zur Anwendung kommt, wird im Folgenden auf diese Form der Markterkundung eingegangen.
Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens ist es öffentlichen Auftraggebern gestattet, Markterkundungen durchzuführen (§ 28 Abs. 1 VgV bzw. § 20 UVgO ). Man spricht auch von einer „Marktsondierung“ oder „Marktkonsultation“ (vgl. Art. 40 der RL 2014/24/EU).
Sie ist geeignet, dem öffentlichen Auftraggeber zu helfen, seinen konkreten Bedarf zu definieren bzw. zu spezifizieren, den voraussichtlichen Auftragswert zu ermitteln, die Vergabeunterlagen nicht „am Markt vorbei“ zu erstellen und die geeignete Verfahrensart (offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb etc.) zu wählen.
Dabei ist die Markterkundung dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagert, denn sie dient der Vorbereitung des Vergabeverfahrens und nachrangig der Unterrichtung der beteiligten Unternehmen über eine Vergabeabsicht des öffentlichen Auftraggebers. Die Durchführung von Vergabeverfahren, lediglich zur Markterkundung und zum Zwecke der Kosten- oder Preisermittlung (sog. „Scheinausschreibungen“) sind folgerichtig unzulässig, § 28 Abs. 2 VgV.
Ein weiteres Ziel der Erkundung des Anbietermarktes ist die Unterrichtung der Unternehmen über die Auftragsvergabepläne und -anforderungen. Sie soll die potenziellen Bieter frühzeitig über ein bevorstehendes Vergabeverfahren und die Anforderungen informieren und sie zur Teilnahme motivieren. Dabei sind selbstverständlich die vergaberechtlichen Grundsätze wie etwa der Nichtdiskriminierung und Transparenz zu wahren. Auch die „Projektantenproblematik“ kann eine Rolle spielen, auf die wir im Abschnitt II.5. dieses Beitrags näher eingehen.
Damit eine Marktkonsultation verwertbare Ergebnisse hervorbringt, sollten öffentliche Auftraggeber sowohl bei der Vorbereitung als auch der Durchführung der Markerkundung einiges beachten. Der nachfolgende Leitfaden dient dabei als Orientierungshilfe, um eine Markterkundung systematisch und effektiv durchzuführen:
Wenn Sie Fragen zur Markterkundung nach § 28 VgV oder zu sonstigen vergaberechtlichen Themen haben, kontaktieren uns gerne über unser Kontaktformular.
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Öffentliche Auftraggeber und Bieter müssen ab dem 1. Januar 2024 neue EU-Schwellenwerte zu Grunde legen. Hier finden Sie die Übersicht zu den bisherigen Wertgrenzen und den Vergaberecht Schwellenwerten 2024/2025.
Kürzlich hat die Europäische Kommission ihre turnusmäßige Anpassung der EU-Schwellenwerte im Vergaberecht beschlossen. Die Anpassung betrifft die „klassische“ Vergaberichtlinie (2014/24/EU), die Sektorenvergaberichtlinie (2014/25/EU), die Konzessionsvergaberichtlinie (2014/23/EU) sowie die Richtlinie Verteidigung und Sicherheit (2009/81/EG).
Soweit der geschätzte Auftragswert eines öffentlichen Auftrags die Schwellenwerte erreicht, sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, den Auftrag EU-weit auszuschreiben. Die Europäische Kommission passt die Schwellenwerte alle zwei Jahre an.
Ab dem 1. Januar 2024 gelten nunmehr die folgenden Werte:
Auftragsart | Ab 01.01.2024 | Bis 31.12.2023 |
---|---|---|
Liefer- und Dienstleistungsaufträge (“klassisch”) | 221.000 € | 215.000 € |
Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Sektorenbereich, Verteidigung/Sicherheit) | 443.000 € | 431.000 € |
Liefer- und Dienstleistungsaufträge (obere und oberste Bundesbehörden) | 143.000 € | 140.000 € |
Bauaufträge / Konzessionen | 5.538.000 € | 5.382.000 € |
Die EU-Schwellenwerte basieren auf den Schwellenwerten des Agreement on Government Procurement (GPA), die in sog. Sonderziehungsrechten (SZR) angegeben werden. Diese, vom IWF künstlich geschaffene, Währung kommt auch im Transportrecht zum Einsatz. Der Kurs der Sonderziehungsrechte verändert sich zum Euro laufend, so dass alle zwei Jahre eine Anpassung der EU-Schwellenwerte an die Sonderziehungsrechte erfolgt.
Die jeweils neuen Schwellenwerte wurden in den Delegierten Verordnungen (EU) 2023/2495, 2023/2496, 2023/2510 und 2023/2497der Kommission vom 15. November 2023 veröffentlicht. Diese erreichen Sie über die folgende Übersicht:
Nachdem die neuen Schwellenwerte auf EU-Ebene entsprechend umgesetzt worden sind, ist aufgrund der in § 106 Absatz 1 GWB vorgesehenen dynamischen Verweisung kein Umsetzungsakt durch den deutschen Gesetzgeber erforderlich. Die neuen Schwellenwerte gelten somit ab dem Jahreswechsel unmittelbar für öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber in Deutschland.
Wenn Sie Fragen zur Auftragswertschätzung nach § 3 VgV / § 2 SektVO oder zu sonstigen vergaberechtlichen Themen haben, kontaktieren uns gerne über unser Kontaktformular.
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Das Jahr 2023 wird besonders ereignisreich für Vergabestellen und Bieter. Zu den Neuerungen im Vergaberecht 2023 zählen unter anderem das Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes, die obligatorische Verwendung der sog. "eForms" im Rahmen von Bekanntmachungen und die Einführung der XRechnung in Mecklenburg-Vorpommern .
Im Folgenden geben wir einen Überblick darüber, was das Jahr 2023 für Auftraggeber und Bieter zu bieten hat.
Ende Januar 2023 hat das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) den zentralen Bekanntmachungsservice (BKMS) gestartet. Der BKMS kann unter www.oeffentlichevergabe.de erreicht werden. Mit dem Ziel, eine vollständige Übersicht über öffentliche Aufträge bereitzustellen, wird der Datenbestand ständig erweitert. Den Anfang machen die Bekanntmachungsdaten aus service.bund.de. Zukünftig werden auch Daten aus anderen gekoppelten Vergabeplattformen des Bundes und der Länder hinzugefügt. Dies gewährleistet eine noch umfassendere Übersicht und macht den Dienst zu einer wertvollen Ressource für Unternehmen und Organisationen bei der Verfolgung von Vergabeverfahren.
Beim BKMS handelt es sich um eine zentrale Plattform, über die sämtliche öffentlichen Bekanntmachungen von öffentlichen Auftraggebern aus Bund, Ländern und Kommunen frei zugänglich sind.
Das Kooperationsprojekt zur „standardbasierten Digitalisierung des öffentlichen Einkaufs- und Beschaffungsprozesses“ wurde vom IT-Planungsrat in Auftrag gegeben und wird federführend von der Freien Hansestadt Bremen und der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) entwickelt.
Zum Mehrwert des BKMS und zu seinen Implikationen für bestehende Vergabeportale schreibt der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik (CIO Bund) Folgendes:
„Mithilfe des Bekanntmachungsservice können Unternehmen Ausschreibungen differenzierter suchen und damit relevante Verfahren besser finden als bislang (d.h. verstreut auf viele lokale oder regionale Bekanntmachungsplattformen oder unter bund.de), die darin enthaltenen Informationen unmittelbar in betriebliche Prozesse integrieren und somit effizienter über ihre Teilnahme an Vergabeverfahren entscheiden. Die Zulieferung von Bekanntmachungen kann von der jeweiligen Vergabeplattform, z. B. über die E-Vergabe, unmittelbar an den Bekanntmachungsservice erfolgen oder mittelbar unter Nutzung des vom Land Bremen im Rahmen des Projektes „Zugang zur öffentlichen Vergabe“ entwickelten Vermittlungsdienstes. Der Vermittlungsservice wird Vergabeplattformen der Länder zur Nachnutzung angeboten, um Bekanntmachungen im vom Bekanntmachungsservice erwarteten Datenformat an den Bekanntmachungsservice zu liefern.“
– CIO Bund, cio.bund.de
Mit seinem Rundschreiben vom 21. Dezember 2022 verlängerte das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz die geltenden Lockerungen im Vergaberecht für die Beseitigung von Schäden, die durch die Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 verursacht wurden.
Demnach können öffentliche Aufträge über Liefer-, Dienst- und Bauleistungen im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2023 und 31. März 2024 (lt. ABSt Hessen nur bis zum "31. Dezember 2023") nach den allgemeinen Grundsätzen i. S. d. Nummer 5.2.1 der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 18. August 2021 in einem "wettbewerbsoffenen Verfahren" (Nr. 5.4 der Verwaltungsvorschrift) vergeben werden.
Laut Ziff. IV. 2. des Rundschreibens trat das Rundschreiben des Ministeriums vom 30. November 2021 (in der Fassung des Rundschreibens vom 2. Juni 2022) mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.
Für Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte bestehe im Übrigen die Möglichkeit zur Beschleunigung und Vereinfachung von Vergabeverfahren mithilfe gesetzlich vorgesehener Dringlichkeitstatbestände, die in Gefahren- und Dringlichkeitslagen zur Anwendung kommen können. Diesbezüglich verweist das Ministerium auf das Rundschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 17. August 2021.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten und stellt unternehmerische Sorgfaltspflichten für die Achtung von Menschenrechten und den Schutz von Umweltbelangen umfassend gesetzlich dar. Unternehmen sind verpflichtet, ein wirksames Risikomanagement einzurichten, um Gefahren für Menschenrechtsverletzungen und bestimmte Schädigungen der Umwelt zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren.
Bei einem Verstoß gegen das LkSG droht Bietern - unter den weiteren Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 LkSG - der Ausschluss von Vergabeverfahren für bis zu drei Jahre (vgl. auch § 124 Abs. 2 GWB).
„Das Gesetz legt dar, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und entlang ihrer Lieferketten notwendig sind und verpflichtet zur Errichtung eines Beschwerdeverfahrens und regelmäßiger Berichterstattung. Es gilt zunächst für Unternehmen in Deutschland mit mindestens 3.000 Beschäftigten, ab 2024 auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte.“
– Pressemitteilung der Bundesregierung vom 29. Dezember 2022, BMZ.de
Im Zusammenhang mit dem LkSG sind die folgenden Stichtage gem. § 1 Abs. 1 LkSG zu beachten:
Am 16. Dezember 2022 veröffentlichte das Land Sachsen-Anhalt eine neue Verordnung über die Auftragswerte nach der Unterschwellenvergabeordnung und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (Ausgabe 2019).
Diese Auftragswerteverordnung (AwVO) trat am 2. Januar 2023 in Kraft und tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 29. Dezember 2022 die Konsultation der Öffentlichkeit zur geplanten "Transformation des Vergaberechts" gestartet (Meldung vom 29. Dezember 2022).
Das erklärte Ziel sei es, Innovationen zu stärken und die Vorbildrolle der öffentlichen Beschaffung "für eine sozial-ökologische und digitale Transformation der Wirtschaft" zu nutzen. Die Reform solle aber auch zum Bürokratieabbau beitragen.
Die Konsultationsphase findet bis zum 14. Februar 2023 statt.
Unternehmen, Organisationen und Verbänden sowie interessierten Bürgern wird im Rahmen eines öffentlichen Konsultationsverfahrens die Möglichkeit gegeben, ihre Einschätzungen und Ideen zur Vergabetransformation als Antworten auf die in fünf Kategorien unterteilten Fragen einzubringen:
Über diesen Link gelangen Sie zum Fragebogen.
Am 13. Dezember 2022 wurde das neue Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt (TVergG LSA) vom 7. Dezember 2022 verkündet (GVBl. LSA Nr. 28/2022 S. 367 ff.). Das TVergG LSA ersetzt das bisher geltende Landesvergabegesetz vom 19. November 2012. Mit dieser Änderung setzt die Regierungskoalition die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag 2021 um und führt eine Reihe von Neuerungen ein:
Das neue Gesetz sieht wesentliche Änderungen in der öffentlichen Auftragsvergabe vor, die aufgrund des in § 2 Abs. 2 TVergG LSA enthaltenen Verweises auf § 99 Nr. 2 GWB nunmehr auch Sektorenauftraggeber gem. § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB (z.B. kommunale Stadtwerke) betreffen dürften. Denn auf Grundlage der bisherigen Rechtslage nahm die Rechtsprechung Sektorenauftraggeber explizit aus dem Anwendungsbereich des LVG LSA aus (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 03.09.2020 - 7 W 27/20).
Schwellenwerte
Zum einen hat der Landesgesetzgeber die Schwellenwerte angehoben, um die Beschaffungen weitestgehend zu entbürokratisieren. So wurden die Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungen auf EUR 40.000 netto (bisher EUR 25.000) und für Bauleistungen auf EUR 120.000 netto (bisher EUR 50.000) angehoben worden, § 1 Abs. 1 TVergG LSA.
Verwendung der elektronischen Vergabeplattform des Landes
Zum anderen müssen künftige Vergaben gem. § 3 TVergG LSA über die Vergabeplattform des Landes Sachsen-Anhalt (evergabe.sachsen-anhalt.de) als zentrales Bekanntmachungsmedium erfolgen.
UVgO
Für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der vergaberechtlichen EU-Schwellenwerte gilt gem. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TVergG die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass gem. § 1 Abs. 2 S. 2 TVergG LSA die Bestimmungen des TVergG LSA und der aufgrund des TVergG LSA erlassenen Verordnungen Vorrang gegenüber der UVgO und der VOB/A (Teil A) genießen.
Inkrafttreten
Das TVergG LSA tritt grundsätzlich am 1. März 2023 in Kraft (vgl. § 29 Abs. 1 S. 1 TVergG LSA). Bereits am ersten Tag nach der Verkündung des TVergG LSA, d.h. am 14. Dezember 2022, traten dagegen diverse Regelungen im Zusammenhang mit Rechtsverordnungsermächtigungen (z.B. Festlegung von Wertgrenzen, Regelungen zur Durchführung elektronischer Vergabeverfahren, Einführung von Formularen bei Bauvergaben etc.) in Kraft, § 29 Abs. 1 S. 2 TVergG LSA.
Der "Gaskrisen-Vergabeerlass" in Mecklenburg-Vorpommern wird am 30. April 2023 außer Kraft treten, soweit er nicht verlängert wird.
Der Gaskrisen-Vergabeerlass vom 14. Oktober 2022 ermöglicht die Beschaffung von Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar zur Bewältigung der angespannten Gasversorgungslage oder deren Folgen beitragen (unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit) ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens bis zur Höhe des jeweiligen EU-Schwellenwertes.
Unternehmen sind ab dem 01. April 2023 gemäß § 3 der E-Rechnungsverordnung Mecklenburg-Vorpommern (ERechVO M-V) verpflichtet, ihre Rechnungen unabhängig vom Auftragswert gegenüber öffentlichen Auftraggebern in elektronischer Form auszustellen und zu übermitteln.
Rechnungsempfangende müssen die elektronischen Rechnungen elektronisch empfangen und verarbeiten. Dazu können sie nach § 3 Abs. 3 i. V. m. § 7 ERechVO M-V die Onlinezugangsgesetz-konforme Rechnungseingangsplattform des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die unter https://xrechnung-bdr.de veröffentlicht ist, nutzen.
Im Hinblick an die Anforderungen an das Rechnungsdatenmodell und an die Übermittlung sehen § 4 Abs. 1 und 3 ERechVO M-V Folgendes vor:
„Für die Ausstellung von elektronischen Rechnungen haben Rechnungsstellende und Rechnungssendende grundsätzlich den Datenaustauschstandard XRechnung gemäß § 4 Absatz 1 der E-Rechnungsverordnung des Bundes zu verwenden. Es kann auch ein anderer Datenaustauschstandard verwendet werden, wenn er den Anforderungen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung entspricht.“
„Für die Übermittlung von elektronischen Rechnungen können Rechnungsstellende und Rechnungssendende die Onlinezugangsgesetz-konforme Rechnungseingangsplattform des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Sinne von § 2 Absatz 2 des Onlinezugangsgesetzes nutzen. Die Onlinezugangsgesetz-konforme Rechnungseingangsplattform stellt den elektronischen Briefkasten aller sie nutzenden öffentlichen Auftraggeber des Landes dar. [...]"
– § 4 Abs. 1 und 3 ERechVO M-V
Die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz folgen mit vergleichbaren Regelungen in 2024.
Die Schleswig-Holsteinische Landesverordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu Gunsten Schutzsuchender (Schutzsuchenden-Vergabeverordnung) vom 23. März 2022 trat am 01. April 2022 in Kraft und wird - sollte sie nicht verlängert werden - mit Ablauf des 30. Juni 2023 außer Kraft treten.
Die Verordnung sieht Erleichterungen für die Vergabe von Liefer-, Dienst- und Bauleistungen zu Gunsten Schutzsuchender (insbesondere Geflüchteter aus der Ukraine) vor:
"Diese Verordnung regelt Erleichterungen für Vergabeverfahren, die der Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen zur Aufnahme, Unterkunft, Versorgung oder Betreuung Schutzsuchender, insbesondere Geflüchteter aus der Ukraine, dienen. Darüber hinaus werden Erleichterungen für Bauaufträge, die Wohnzwecken dienen, geschaffen. Die in dieser Verordnung geregelten Bestimmungen gelten zusätzlich zu den Regelungen der Schleswig-Holsteinische Vergabeverordnung vom 1. April 2019 (GVOBI. Schl.-H. S. 72), welche ergänzend anzuwenden ist."
— § 1 der Schutzsuchenden-Vergabeverordnung
Die Stoffpreisgleitklausel wird am 30. Juni 2023 außer Kraft treten, soweit sie nicht zum dritten Mal verlängert wird.
Als Reaktion auf die infolge des Ukraine Krieges gestörten Lieferketten hatte der Bund am 25. März 2022 eine Handreichung veröffentlicht, welche eine Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe gemäß Nummer 2.3 der Richtlinie zum Formblatt 225 des VHB (ausnahmsweise Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe) vorsah.
Die Klausel dient dazu, die kriegsbedingten erheblichen Preissteigerungen bei wesentlichen Baumaterialien zumindest teilweise abzufangen und auf diesem Wege eine zumutbare Kalkulationsgrundlage für Bauvertragsparteien von Bundesbaubaumaßnahmen zu schaffen.
Zwar hatte das Bauministerium im Dezember einen Trend zur Stabilisierung bei Teilen der betroffenen Produktgruppen festgestellt. Ob dieser sich fortsetzt, sei aber noch nicht absehbar.
Um den besonderen Bedarfen in einer "wirtschaftlichen Ausnahmesituation" (Pandemie, Ukraine-Krieg) gerecht zu werden, führte der Freistaat Thüringen Erleichterungen im Thüringer Vergabegesetz ein, die zuletzt im Juni 2022 verlängert worden sind.
Diese befristet erhöhten Wertgrenzen in Thüringen laufen am 30. Juni 2023 aus, soweit sie nicht verlängert werden.
Die seit November des vergangenen Jahres freiwillig nutzbaren sog. "eForms" sind ab dem 25. Oktober 2023 bei EU-weiten Vergabeverfahren verpflichtend zu verwenden.
Die Durchführungsverordnung 2019/1780 vom 23. September 2019 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge („elektronische Formulare – eForms“) sieht vor, dass ab dem 25. Oktober 2023 in europaweiten Vergabeverfahren zwingend die neuen elektronischen Standardformulare („eForms“) anstelle der bisherigen Formulare nach der Verordnung 2015/1986 verwendet werden müssen.
Hierbei handelt es sich also um eine Neuerung von erheblicher praktischer Relevanz. Um die neuen Prozesse mit ausreichend zeitlichem Vorlauf intern abbilden zu können, sollten Vergabestellen den Einführungsprozess besonders aufmerksam verfolgen.
Weitere Informationen zum Thema eForms lassen sich unter anderem dem „Konzeptpapier zur rechtlichen Umsetzung der Durchführungsverordnung eForms“ des Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) entnehmen. Diesem lässt sich übrigens entnehmen, dass von den geplanten Neuerungen auch Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte profitieren sollen:
„Die Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 zu „eForms“ enthält keine Verpflichtung für öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte. Gleichwohl birgt die Nutzung eines einheitlichen Datenaustauschformats auch hier aus gesamtstaatlicher Sicht entscheidende Vorteile, unter anderem hinsichtlich der Qualität und Wirtschaftlichkeit der fortlaufenden oder anlassbezogenen Erhebung und Auswertung beschaffungsbezogener Daten nach dem Once Only-Prinzip. Zudem wird die Transparenz beschaffungsbezogener Anforderungen und Ergebnisse sowohl für Unternehmen als auch für die Zivilgesellschaft erheblich gesteigert..“
– S. 1 des Konzeptpapiers
Schließlich finden Entwickler technische Informationen zu eForms unter diesem Link.
Einen umfassenden FAQ-Beitrag werden wir in Kürze gesondert veröffentlichen.
Am 1. Januar 2024 ist die nächste Anpassung der für EU-weite Ausschreibungen maßgeblichen Schwellenwerte fällig. Erfahrungsgemäß wird die EU-Kommission die neuen Schwellenwerte im Zeitraum zwischen Oktober und November 2023 ankündigen.
Update vom 21.11.2023:
Die neuen EU-Schwellenwerte 2024/2025 stehen fest. Nähere Einzelheiten erfahren Sie in unserem Blogbeitrag zu den EU-Schwellenwerten ab dem 01.01.2024.
Die in Bayern derzeit geltenden Wertgrenzen für Vergabeverfahren staatlicher und kommunaler Auftraggeber laufen am 31. Dezember 2023 aus. Bis dahin sieht die Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen (VVöA) die folgenden Erleichterungen vor:
Tipp: Das Auftragsberatungszentrum Bayern e.V. stellt eine umfassende Übersicht zu den Wertgrenzen bei Ausschreibungen im Freistaat Bayern zur Verfügung (Link).
Bei Bekanntwerden weiterer Neuerungen zum Vergaberecht 2023 werden wir diesen Blogbeitrag entsprechend aktualisieren.
Wenn Sie als öffentliche Auftraggeberin oder Bieterin Fragen zu Vergaberecht haben, kontaktieren uns gerne über unser Kontaktformular.
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